Refugien für hitzeempfpindliche Fische am Hochrhein im Kanton Thurgau.
Mit der heutigen Schlussveranstaltung «Anpassung an den Klimawandel – wie kann sie gelingen?» endet das 10 Jahre dauernde Pilotprogramm des Bundes. Die Eröffnung durch Bundesrat und UVEK-Vorsteher Albert Rösti unterstreicht die Bedeutung der Thematik. Denn die Schweiz ist als Alpenland überproportional stark von den Auswirkungen der Klimaerwärmung betroffen.
Die Ergebnisse des Programms werden in der Publikation «Impulse für eine klimaangepasste Schweiz» und im Webdossier des BAFU zusammengefasst. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer sind sich einig, dass nun die breite Umsetzung der gefundenen Lösungen dringend angegangen werden muss. Ausserdem soll das Programm in eine permanente Form übergeführt werden, etwa als Innovationsprogramm, in welchem laufend Lösungen für die Anpassungen an den Klimawandel gefunden werden.
Während die Risiken für Menschen und Infrastrukturen im Mittelpunkt standen – Stichwort Naturgefahren – erhielt das Thema Biodiversität etwas weniger Beachtung. Dabei ist klar: Unsere Lebensgrundlage ist von dem Erhalt der Biodiversität abhängig. Massnahmen zum Erhalt der Biodiversität, wie sie auch in unserer Publikation «Fischschutzmassnahmen bei Hitzeereignissen» (PDF (DE / FR) enthalten sind, spielen eine wichtige Rolle bei der Anpassung an den Klimawandel. Oder wie ein Tagungsteilnehmer etwas provokativ sagte: «Massnahmen zur Anpassung an den Klimawandel, welche nicht dem Erhalt der Biodiversität dienen, sind zu wenig innovativ.»
Ein rot gefärbter Weiher ist nach wenigen Stunden wieder normal gefärbt und am nächsten Tag wieder rot. Diesem Mysterium sind wir auf die Schliche gekommen
Im Natur- und Tierpark Goldau wurde in der neu erstellten Storchenanlage auch ein neuer Weiher angelegt. Im Sommer darauf färbte sich dieser kräftig rot. Das kann es durchaus geben, bekannt sind ja die Blutseen in den Alpen.
Im Sommer war der Weiher in der Storchenanlage stark rot gefärbt.Dieses Foto entstand drei Stunden später und es war keine Spur mehr von rot zu sehen.
Mysteriös wurde es, als drei Stunden später der Weiher plötzlich wieder «normal» grün-blau aussah. Ein so schneller Farbwechsel eines ganzen Gewässers ist doch sehr unüblich. Aus Neugier wurde eine Wasserprobe entnommen und mikroskopisch untersucht. Es stellte sich heraus, dass es Augenflagellaten (Euglenophyceae) sind, welche zu den Algen gehören. Die in der Probe massenhaft vorhandene Art war Euglena sanguinea (Rotes Augentier), ein Einzeller, welcher mit dem Vorhandensein von Hämatochromkörnchen (rötlicher Farbstoff Astaxanthin) natürlicherweise rot gefärbt ist (siehe Blog-Beitrag: Algen – ein Partyknaller). Wenn sie aktiv sind, haben sie eine länglich-ovale Form, inaktiv rollen sie sich kugelförmig zusammen. Je nach Zustand waren diese Zellen um 30 bis 100 Mikrometer gross. Sie weisen einen Augenfleck auf, der auf Licht reagiert und eine Geissel zur Fortbewegung. Diese Augenflagellaten-Art ist nicht selten oder gar gefährdet, doch sie kommt auch nicht häufig vor.
Unter dem Mikroskop kommt man dem Mysterium näher.Die rote Farbe kommt vom Roten Augentier (Euglena sanguinea). Daneben die fädige Jochalge Spirogyra sp. die aber nichts mit dem Rotphänomen zu tun hat.
Im Buch von August Thienemann («Die Binnengewässer» von Prof. Dr. August Thienemann – Band XVI – «Das Phytoplankton des Süsswassers», 4. Teil von G. Huber-Pestalozzi. Stuttgart 1955) erfährt man mehr über diese Alge. Naturforscher haben beobachtet, dass es bei starker Beschattung einen Farbumschlag von rot nach grün gibt. Die Algen können somit ihre Färbung ändern. Ein Versuch mit künstlicher, starker Beschattung zeigte einen Farbumschlag nach 20 Minuten von rot nach grün. Bei einer Wieder-Besonnung dauerte es sogar nur sechs Minuten, bis die Algenblüte wieder rot war. Zudem können sie bei starkem Regen zeitweise verschwinden, da sie sich abkühlen und sich auf dem Boden sammeln, bis sie bei wärmeren Bedingungen wieder an die Oberfläche zurückkehren. Zusätzlich kann der Blickwinkel noch entscheidend sein. Je nach dem, von wo und in welchem Winkel der Weiher betrachtet wird, erscheint er mehr oder weniger rot. Eine spannende Alge ist sie auf jeden Fall!
Während Hitzeereignissen können die Wassertemperaturen stark ansteigen und empfindliche Fischarten in Hitzestress versetzen oder sogar deren Tod verursachen. Im Hochrhein stiegen in den Sommermonaten der Jahre 2018 und 2003 die Wassertemperaturen derart stark an, dass es zu massiven Fischsterben kam. Am stärksten davon betroffen war damals die Äsche.
Auch im aktuellen Sommer 2022 haben die Fische mit Hitze und den Auswirkungen der Trockenheit zu kämpfen. Zahlreiche Fliessgewässer im Mittelland führen kaum mehr Wasser und teilweise sind auch schon Fische an den hohen Wassertemperaturen zugrunde gegangen. Und auch im Hochrhein bei Neuhausen wurden Ende Juli und Anfang August Wassertemperaturen von über 25 °C gemessen und leider auch verendete Fische gefunden. Denn für empfindliche Fischarten wie Forellen und Äschen verursachen Wassertemperaturen von über 20 °C Stress, ab 23 °C wird es für sie kritisch und ab 25 °C sogar lebensbedrohlich!
Die für die Fischerei verantwortlichen Stellen der Anrainerkantone ergriffen bei diesen Hitzeereignissen eine Reihe von Notmassnahmen, mit dem Ziel, die Fische vor Hitzestress zu schützen bzw. deren Überlebenschancen zu erhöhen. Situationen mit Hitze und Trockenheit sind bedingt durch den Klimawandel in Zukunft vermehrt zu erwarten. Neben dem Hochrhein können auch weitere grosse und mittlere Fliessgewässer betroffen sein. Eine gute Vorbereitung kann helfen, die Lebensgemeinschaft der Fische bei künftigen Hitzeereignissen bestmöglich zu schützen.
Im Rahmen des Pilotprogramms des Bundes «Anpassungen an den Klimawandel» haben wir in Zusammenarbeit mit dem BAFU und den Fachstellen der Kantone Aargau, Basel-Landschaft, Basel-Stadt, Thurgau, Schaffhausen und Zürich eine Arbeitshilfe erarbeitet, um das aktuelle Wissen zum Thema «Fischschutz bei Hitzeereignissen» zu sichern, zusammenzutragen, weiterzuentwickeln und zu publizieren.
Die vorliegende Arbeitshilfe soll ein Hilfsmittel für die Sensibilisierung, Information und Koordination der Entscheidungsträger bieten und die Akzeptanz von Betroffenen für notwendige Massnahmen erhöhen. Die Arbeitshilfe basiert auf den gemachten Erfahrungen der Jahre 2003 und 2018. Sie gliedert sich in eine Einführung in die Problematik von Hitzeereignissen und bietet praxisnahe Lösungen zur Bewältigung von Hitzereignissen mittels Anleitung zur Notfallplanung und Massnahmenblättern.
Fischschutzmassnahmen bei Hitzeereignissen. Arbeitshilfe.PDF
Mesures de protection des poissons en cas de canicule. Guide de travail.PDF
Die Bedeutung von Geschiebe und Schwebstoffen für die Lebewelt im und am Bach.
In einem Fliessgewässer bewegt sich nicht nur Wasser; auch die vermeintlich fixe Gewässersohle ist bei näherer Betrachtung mobil. Je nach Grösse des Abflusses werden kleinste Steinkörner und bis zu grosse Steinbrocken flussabwärts transportiert. Letztere bleiben manchmal «gefühlt» ewig an Ort und Stelle liegen, zumindest so lange, bis bei einem grossen Hochwasser die gesamte Gewässersohle mobilisiert wird. Insgesamt unterliegt das System Fliessgewässer sowohl hinsichtlich des Abflusses als auch der Gewässersohle einer ständigen Dynamik, welche gewässerabhängig stärker oder schwächer ausfällt. Hochwasser spielen dabei eine wichtige Rolle. Dieser Dynamik sind die Lebewesen des Fliessgewässers ausgesetzt, was einiges an Anpassung erfordert (hat). Fische können sich bis zu einem gewissen Mass aufgrund ihrer Schwimmleistung der Abschwemmung entziehen. Sie müssen sich jedoch, wie alle anderen Tiere und Pflanzen der Fliessgewässer, grundsätzlich an die im Vergleich zum Wasser stabile Gewässersohle halten. Dort stehen Lückensystem, Unterschlupfe und Oberfläche für die Besiedlung zur Verfügung. Doch aufgepasst: Erst noch sicheres Versteck kann sich die Gewässersohle bei Hochwasser in eine Todesfalle verwandeln. Vom Leben in diesem Spannungsfeld bzw. der Bedeutung von Geschiebe und anorganischen Schwebstoffen in Fliessgewässern für die verschiedenen Bewohner der Gewässer handelt dieser Beitrag.
Mit den ersten beiden kommen hoffentlich alle im Laufe ihres Lebens in Kontakt. Laufkäfer geniessen wohl weniger Sympathien, doch auch sie treffen wir in revitalisierten Ufern vermehrt an. Denn viele der Arten der Laufkäfer haben spezielle Lebensraumansprüche und weisen auf funktionsfähige Ökosysteme hin.
Gefährdete Laufkäferarten, von links nach rechts: Schwarzmetallische Ahlenläufer (Bembidion prasinum, EN), Gold-Uferläufer (Elaphrus aureus, EN), Auwald-Schnellläufer (Harpalus progediens, VU) und Sandahlenläufer (Perileptus areolatus, NT). Quelle: http://eurocarabidae.de/.
Laufkäfer und ihre Lebensräume in der Schweiz
Laufkäfer sind eine artenreiche Familie, welche in der Schweiz mit 526 Arten vertreten ist. Sie besitzen eine vielfältige Ökologie und sind gut erforscht. Aufgrund der Rote Liste ist u.a. bekannt, welche Arten wie stark gefährdet sind.
Unter den Laufkäfern gibt es weit verbreitete Generalisten; viele Arten sind aber auch absolute Spezialisten. So kommt rund ein Viertel (139 Arten) aller Laufkäfer in der Schweiz entweder ausschliesslich oder vorwiegend in Auenbiotopen vor. Von diesen sind rund 50 % (78 Arten) auf der Roten Liste. Dies zeigt die ausgesprochene Wichtigkeit der in intakten Auenlandschaften vorgefundenen Lebensraumvielfalt für diese Artengruppe.
Ufernahe, vegetationsarme bzw. –freie Kies-, Sand- und Schlickflächen bilden die Lebensgrundlage für eine Vielzahl an (gefährdeten) Laufkäferarten. Gerade diese Arten sind oft sehr mobil und können, sofern Habitatfragmente mit entsprechenden Reliktpopulationen noch vorhanden sind, neu geschaffene Lebensräume relativ schnell wiederbesiedeln.
Laufkäfer als Zielarten bei Gewässerrevitalisierungen
Bei Revitalisierungsmassnahmen werden oft Fische oder Vögel, teilweise Wasserwirbellose als Zielarten aufgeführt. Laufkäfer gehen in der Regel vergessen, obwohl sie hervorragende Indikatoren für die Wiederherstellung funktionierender Auen bzw. Auenstrukturen sind. Dies ungeachtet dessen, dass sie abgesehen von den Kurzflüglern und Spinnen die mit Abstand artenreichste Gruppe in Auenbiotopen bilden. Sie können nach Absprache mit dem BAFU via «Indikator-Set 11 – Spezifisches Ziel» in einer Wirkungskontrolle einbezogen werden. Das Revitalisierungsziel wäre also die Besiedlung eines aufgewerteten Gebietes durch (hochspezialisierte) Auenarten oder eine Vergrösserung der Population schon vorhandener Arten.
Lebensraum für Laufkäfer am Alpenrhein.
Vier Artbeispiele, welche in der Schweiz nur in Auenbiotopen vorkommen
Der stark gefährdete Schwarzmetallische Ahlenläufer (Bembidion prasinum, durchschnittlich 4.9 mm lang) ist feuchtigkeitsliebend und kommt an sand- und kiesigen Ufern ohne Vegetation vor. Ebenfalls stark gefährdet ist der Gold-Uferläufer (Elaphrus aureus, durchschn. 6.3 mm). Er ist ausgesprochen feuchtigkeitsliebend und besiedelt Ufer mit Vegetation sowie Auenwälder mit tonig- bis sandigem Substrat.
Der gefährdete Auwald-Schnellläufer (Harpalus progediens, durchschn. 7.5 mm) ist feuchtigkeitsliebend und besiedelt Ufer mit Vegetation, Auenwälder sowie Wiesen an Gewässern und entlang von Flüssen. Der potenziell gefährdete Sandahlenläufer (Perileptus areolatus, durchschn. 2.5 mm) ist feuchtigkeitsliebend und besiedelt sand- und kiesige Ufer ohne Vegetation, wo er direkt an der Wasserlinie im Interstitial (Lückensystem zwischen den Sandkörnern und Kieseln) vorkommt.
Laufkäfer als Indikatoren bei Gewässerrevitalisierungen
Revitalisierungsmassnahmen an Fliessgewässern und Seeufern zielen u.a. gerade auf die Schaffung der auch für Laufkäfer erforderlichen Strukturen ab. Eine gelungene (Wieder-) Besiedlung mit Laufkäfern ist daher ein geeignetes Mass für den Erfolg der umgesetzten Massnahmen. Laufkäfer sollten daher Bestandteil von Erfolgskontrollen sein.
Die Erwärmung unserer Gewässer aufgrund des Klimawandels erhitzt in der Gewässerökologie die Gemüter. Der Sommer 2021 war eine Verschnaufpause, die nächste Hitze kommt bestimmt. Als Kontrastprogramm wirft man am besten einen Blick in eiskalte Gewässer.
Am richtigen Ort schauen …… mit den richtigen Tools.
Der Bach ist ganzjährig ein Lebensraum, an welchen die Lebensstadien der Organismen angepasst sind. Welche Veränderungen sind problematisch? Was kann man tun?
Einen kühlen Kopf bewahren und auch im 2022 wieder Lösungen finden! Wir wünschen frohe Festtage und einen guten Rutsch ins neue Jahr!
Beim Smalltalk gibt es viele ungeschriebene Regeln und individuelle Verhaltensweisen. Ein unschlagbarer Trick von Gewässerökologen um aus einer Smalltalk-Runde auszusteigen ist es, gnadenlos und aus dem Nichts heraus das Thema auf Algen zu lenken. Das interessiert niemanden und schon bald entfernen sich die Gesprächspartner mit entschuldigenden Worten. Sollte doch einmal jemand zuhören muss man trotzdem ein paar faszinierende Wissensbissen parat haben.
Erfahrungsgemäss generiert das Wort «Algen» eher eine Abneigung. Gemäss einer vor Jahren ausgeführten Google-Analyse wird der Begriff gehäuft im Frühjahr und Vorsommer gesucht. Also zum Zeitpunkt der Veralgungen in Biotopen. Während vor Jahren noch Hinweise zu «Algiziden» als bestes Resultat erschien, so sind heute Definitionen und biologische Erläuterungen wie auch Algen als Lebensmittel und Algen als grüne Energiequelle auf den ersten Positionen. Doch wer glaubt, dass dies ein Sympathiegewinn gegenüber Algen ist, irrt. Auch auf die Wortsuche wie ‚Pandabär‘, ‚Fisch‘ oder ‚Mord‘ kommen als beste Antworten immer die Definitionen und Worterklärungen. Es wurden also bloss der Algorithmus angepasst.
Algen leben nicht nur im Wasser, werden jedoch vor allem als glitschige grüne Suppe wahrgenommen.
Immerhin, Algen sind mehr als nur störende Organismen. Interessant ist nur schon – und dies als geeignetes Thema in der Badi – wie sich Algen vor der Sonne schützen. Je nach Bedingungen und Art bilden gewisse Algen neben dem bekannten Blattgrün (Chlorophyll) noch weitere akzessorische Pigmente. Bekannt sind z. B. die Karotinoide, also gelblich bis rötliche Farbstoffe, wie wir sie von den Rüebli kennen. Dazu gehören die Astaxanthine – Aussprache üben, das macht Eindruck bei den Zuhörern! – welche als UV-Schutz dienen können. So etwa bei Schneealgen (z. B. Chlamydomonas nivalis), welche den sogenannten Blutschnee bilden. Oder die Luftalgen der Gattung Trentepohlia, welche an Mauern, auf grossen Steinen wachsen. Oder gewisse Arten wie die Grünalge Haematococcus pluvialis (Blutregenalge), welche unter schlechten Lebensbedingungen rötlich gefärbte Dauerstadien bildet.
Sollte das Thema Sonnenschutz etwa «austrocknen» und gerade Lachshäpchen serviert werden, Päng!: ein Übergang zur Kulinarik ist ohne Weiteres möglich. Die Astaxanthine sind nämlich verantwortlich für die Rotfärbung der Krebstiere wie Krill, da diese solche rot verfärbte Algen fressen. Auch die zart rosa Färbung des Lachses entsteht dank dem erlaubten Futtermittelzusatzstoff Astaxanthin (2a161j). Die Futtermittelbuch-Verordnung (FMBV, SR 916.307.1) regelt den Einsatz genau. Und woher haben dann die Wildlachse ihre Färbung? Eben, von sonnenbadenden Algen. Und somit nochmals einen Anlauf beim Sonnencreme-Thema.
Marine planktische Algen schützen sich auch vor zu viel Licht. Sie haben aber eine ganz andere, viel komplexere Lösung gefunden. Diese Algen generieren im Wasser einen Stoff, genannt DMSP (Dimethylsulfidpropionat), welcher anschliessend im freien Wasser bakteriell zum gasförmigen Aerosol DMS (Dimethylsulfid) umgewandelt wird. Diese schwefelhaltige organische Verbindung gibt dem Meer den typischen Geruch. Das Gas DMS steigt in die Atmosphäre auf, wird dort oxidiert bis hin zu Schwefelsäure, welche zu Tröpfchen kondensieren, was letztlich zu Wolkenbildung führt. Die Algen sorgen so für Beschattung, vor allem über den Ozeanen der Südhalbkugel. Also mit diesen Ausführungen beeindruckt man an jeder Strandparty!
Ah, da wird Sushi herumgereicht! Also zurück zur Ernährung. Da haben Algen viel zu bieten: Das Nori zur Ummantelung der Reisbällchen beim Sushi ist natürlich eine Alge. Soll auch den Cholesterinspiegel senken. Unglaublich reich an Aminosäuren, Sterolen, Vitaminen und Mineralstoffen ist die marine Braunalge Laminaria japonica. Ihre Blätter können bis 3 m lang werden. Dank den Sterolen (Fucosterol) soll die Art Blutgerinsel (Thrombosen) verhindern. Das Thema ist abendfüllend!
Doch über Algen lässt sich auch mit Energiefreaks und Technik-afinen Personen sprechen. Arten der fädigen Grünalgengattung Cladophora, welche bei uns sehr häufig vorkommt, aber auch andere Algen, enthalten Zellulose. Diese Algen-Zellulose hat grosses Potenzial als Alternative zu Plastik, also als biologisch abbaubare Kunststoffmaterialien. Es können sogar Nanopartikeln gewonnen und High-Tech Filter produziert werden. Das macht natürlich Eindruck, wer hätte das von den Algen gedacht?
Ohne Weiteres schafft man auch den Wechsel vom Dauerthema Klimawandel zu den Algen. Etwa, weil die Algen in den Ozeanen sehr viel Kohlenstoffdioxid (CO2) binden. Geoingeenering ist das Schlagwort, wenn es darum geht, die Meere zu düngen, damit mehr Algen wachsen. Je nach Zuhörerschaft kann man dann die ökonomischen Aspekte – völlige Geldverschwendung! – oder die ökologischen Bedenken – Ökosystemkollaps! – erörtern. Aber Algen als Energielieferanten, sei es für Bio-Diesel, Bio-Ethanol oder Biomasse, werden in Zukunft an Bedeutung gewinnen. Hat man schon Algen-Benzin im Tank kann man sich ganz avantgardistisch geben!
Befindet man sich auf einer Kunstausstellung mit einem Publikum mit Sinn für Ästhetik? Auch dann: Algen sind faszinierende Organismen! Einfach schön, zumindest im Mikroskop betrachtet. Ganz attraktiv sind Zieralgen (Desmidiaceen, Desmidiales) oder Kieselalgen (Diatomeen, Bacillariophyceae). Beide Algengruppen zeitlos beliebt als fotogene Sujets bei Mikroskopievereinigungen, aber auch Inspiration bei der Schmuckherstellung und im Zusammenhang mit Architektur ein Hammer.
Aber wenn am Schluss doch noch die Ökologie durchdrückt: Kieselalgen wie auch andere Algen sind bekannte Bioindikatoren. Insbesondere die Kieselalgen sind im Süsswasser indikativ hinsichtlich Abwasser-, Nährstoff-, Salz- und Säurebelastungen. Und das aus Siliziumdioxid bestehende Skelett der Kieselalgen bleibt normalerweise über Jahrhunderte bis sogar Jahrmillionen (Baikalsee) im Seesediment erhalten, so dass mit gezielten Analysen eines Sedimentes die Trophiegeschichte eines Sees über die Zeit rekonstruiert werden kann.
Man sieht gleich: das Thema «Algen» wäre DER Partyknaller! Und doch findet es kaum Anklang. In der Schweiz gibt es ein paar wenige Algologen; viele von ihnen ältere Semester. Die Algen hätten Einiges zu bieten; wenn sie denn auch in den Fokus von Lösungen beigezogen würden. Mit dem Klimawandel werden subtropische Algenarten vermehrt in unseren stehenden Gewässern aufkommen und möglicherweise Probleme bieten. Sei es durch die Massenentwicklungen und/oder durch die Bildung von Toxinen; was die Bade- und Trinkwasserqualität wie auch die Haltung von Nutztieren beeinträchtigen kann. Die Zahl diesbezüglicher Schlagzeilen nimmt jedenfalls zu. Insofern gäbe es noch viele Themen, die nicht Smalltalk-Themen sind, sondern sehr konkrete, ernst zu nehmende Themen. Und von künftiger Bedeutung.
Den Algen selbst ist es egal, etliche werden aussterben, sind schon ausgestorben ohne dass es bemerkt wurde. Andere gebietsfremde Arten profitieren, verdrängen die einheimischen Arten, ohne grosses Aufsehen zu erregen. Wer weiss, vielleicht hilft ja der eine und andere Smalltalk beim richtigen Anlass, um den Algen zu mehr Bedeutung zu verhelfen.
In der Gewässerökologie liegen die Antworten meist nicht an der Oberfläche. Man muss der Sache auf den Grund gehen. Teilweise im wahrsten Sinn des Wortes. Gefragt sind dann beherzter Einsatz und Fokussierung auf die Fragestellung. Und manchmal ein Sprung ins kalte Wasser.
Wissen wo man suchen muss …… und das richtige Rüstzeug, um Antworten zu finden.
Wir freuen uns auch im 2020 auf neue Herausforderungen und wünschen frohe Festtage und einen guten Rutsch ins neue Jahr!
Nein, bei MESAV+ handelt es sich nicht um eine neuartige Waffe. Es ist die Methodik zur Erhebung der Wasserpflanzen- und Seegrundverhälnisse. Wenn es darum geht, neue Arten nachzuweisen, kann sie jedoch als Schützenkönigin bezeichnet werden.
Da hat es in den letzten drei Jahren gleich x-Mal eingeschlagen. Zuerst zwei Fliegen mit einer Methode, äh, Klappe: Chara denudata (Nackte Armleuchteralge, DD) und Tolypella glomerata (Knäuel-Armleuchteralge, EN) im Zürichsee wieder entdeckt! Im Folgejahr erneut zwei Volltreffer mit Chara tomentosa (Geweih-Armleuchteralge, VU) an zwei Standorten. Alle drei Arten wurden entweder noch nie in diesem Gewässer festgestellt oder sie wurden seit mehr als 70 Jahren nicht mehr nachgewiesen.
Nitella mucronata (Stachelspitzige Glanzleuchteralge, EN) wurde im Zürich-Obersee «entdeckt».
Und die Erfolgsmeldungen beschränken sich dabei nicht auf den unteren Zürichsee, auch im Obersee konnten jüngst drei Arten wiederentdeckt werden: Nitella mucronata (Stachelspitzige Glanzleuchteralge, EN), Nitella syncarpa (Verwachsenfrüchtige Glanzleuchteralge, EN) und Nitella opaca (Dunkle Glanzleuchteralge, VU). Alle diese Arten weisen einen Rote Liste Status auf, ihr Nachweis ist deshalb besonders wertvoll.
Lange verschollen und nun also wieder da! Nur systematische Untersuchungen haben das Potenzial, mit Zuverlässigkeit sehr seltene Arten (wieder) zu entdecken. Und der Nachweis von wieder auftretenden Characeen-Arten im Zürichsee ist bedeutend. Es ist ein biologischer Nachweis für die Gesundung des grossen Sees, welcher nach einer langen Phase der überhöhten Nährstoffbelastung wieder Lebensraum für empfindliche Wasserpflanzen bieten kann.