Besserer Gewässerschutz für Mensch, Flora und Fauna

Im angehängten Artikel werden die Herausforderungen im Gewässerschutz im Rahmen des Klimawandels thematisiert.

Besserer Gewässerschutz für Mensch, Flora und Fauna. PDF

«Insect Armageddon»: Artensterben auch im Bach?

Regelmässige Schlagzeilen wie «Bienensterben» oder «Auf der Wiese wird es still» zeichnen ein düsteres Bild für die Zukunft der Insekten. Dabei denkt man zuerst an Schmetterlinge, Bienen oder Grillen. Doch Insekten sind auch Wasserlebewesen. Sie kriechen, schwimmen und fressen dort, wo man kein Summen hört und keine haarigen Beine sieht. Wie geht es diesen aquatischen Organismen? Sind auch sie am Verschwinden?

Ein Sommertag am Weiher, Libellen patrouillieren dem Ufer entlang, Wasserläufer huschen über die Oberfläche und unten schwimmt flink ein Gelbrandkäfer. Sie alle verbringen, wie viele andere Insekten auch, mindestens einen Teil ihres Lebens im Wasser. Sie zählen zusammen mit Schnecken, Muscheln, Würmern oder Krebsen zu den sogenannten Wasserwirbellosen (Invertebraten) und spielen eine zentrale Rolle im Ökosystem Gewässer, bauen organische Substanz ab, fressen Algen oder Mückenlarven und stellen eine wichtige Nahrungsgrundlage für Fische und Vögel dar.

Viele Insekten sind Wasserlebewesen. Auch etwa die Larven der prachtvollen Libellen oder der grazilen Eintagesfliegen.

 

 

 

Libelle bei der Eiablage
Eine Zweigestreifte Quelljungfer (Cordulegaster boltonii) bei der Eiablage in ein Gewässer. Diese Libellenart ist wie viele andere auf saubere Gewässer angewiesen.

Wie auch an Land sind die Lebensräume vieler aquatischer Arten stark unter Druck. Neben reinem Lebensraumverlust werden die Wasserorganismen durch verschiedene Formen der Gewässerverschmutzung beeinträchtigt. Über Abschwemmungen oder Abwässer gelangt ein richtiger Cocktail an Schadstoffen aus der Landwirtschaft und der Siedlungsentwässerung in die Bäche, Flüsse und Seen. In den Fokus geraten sind aktuell die Pestizide – 2000 Tonnen jährlich werden in der Schweiz ausgetragen. Aufgrund von fehlenden Pufferstreifen und übermässigem Einsatz gelangt ein Teil davon zwangsläufig auch in die Gewässer.

Der Fachbereich der Ökotoxikologie befasst sich mit der unmittelbaren oder chronischen Wirkung von Schadstoffen und Schadstoffgemischen auf Lebewesen. Meist wird dabei mit Testorganismen wie Bachflohkrebsen, Muschelkrebsen, Würmern, Algen oder Wasserpflanzen gearbeitet. Untersucht wird die Wirkung auf die Vitalität der Organismen, die Entwicklung der Biomasse, die Nahrungsaufnahme, die Fortpflanzung oder die Verbreitung von Arten. Mit regelmässigen Bestandeserhebungen können zudem langfristige Auswirkungen und Entwicklungen festgestellt werden. Solche Monitorings helfen, nicht nur die Wirkung einzelner Schadstoffe, sondern auch die summarischen Wechselwirkungen verschiedener Stoffgemische feststellen zu können. Anders als bei den meisten ökotoxikologischen Tests, welche die kurzfristige, akute Toxizität von Einzelstoffen anschauen, kann mit Untersuchungskampagnen eine langfristig wirkende, chronische Beeinträchtigung von Stoffen oder Stoffgemischen festgestellt werden, welche häufig bereits bei sehr tiefen, kaum messbaren Konzentrationsbereichen auftreten.

Ökotoxikologie Frassverhalten Gammariden
Ergebniss eines in-situ Monitorings zur ökotoxikologischen Wirkung von Schadstoffen auf Bachflohkrebse: Je vitaler die Tiere sind, desto mehr von den Blattscheiben fressen sie.

Biologische Datenbanken sind unerlässlich, will man Aussagen über die langfristige Entwicklung von aquatischen Lebensgemeinschaften machen.

Neben den gewässerökologischen Erhebungen nimmt bei Langzeitmonitorings auch die Speicherung und Auswertung der Daten eine zentrale Rolle ein. Der Aufbau der dazu notwendigen Datenbanken mag zwar aufwändig und die Pflege sowie die Qualitätssicherung zeitintensiv sein, die daraus resultierenden Möglichkeiten für Gesamtauswertungen oder die Nachverfolgung von Entwicklungen über die Zeit (Zeitreihen sind insbesondere bei chronischen Beeinträchtigungen, wie sie beispielsweise durch Pestizide entstehen, umso wertvoller. Implementierte Schnittstellen zu anderen Datenbanken von Behörden oder nationalen Datenzentren ermöglichen zudem einen reibungslosen Datentransfer ohne unnötigen Informationsverlust.

Biologische Datenbank BIS AquaPlus
Neben fundierten Kenntnissen zur Artbestimmung und Ökologie der aquatischen Insekten sind auch biologische Datenbanken notwendig, um die Entwicklung der Lebensgemeinschaften zu analysieren.

Findet nun unter Wasser ein «Armageddon» statt, die «letzte Entscheidungsschlacht», wie dies für die Insekten der terrestrischen Lebensräume befürchtet wird? Um diese Frage zu beantworten wäre eine Erhebung an einer grossen Zahl von repräsentativen Untersuchungsstellen erforderlich und dies über längere Zeit (Monitoring). Doch auch heute schon könnten die bereits verfügbaren Daten in einer Flächenstudie zusammengetragen und systematisch ausgewertet werden. Unter anderem ginge es auch darum, den Verlust an «terrestrischen» Insektenarten in Verbindung zu bringen mit möglichen Implikationen durch «Verunreinigungen» im Gewässer, ist doch ein grösserer Anteil dieser Arten in der frühen Lebensphase an aquatische Lebensräume gebunden.

Links zum Thema:

Die Studie von Hallmann et al. (2017), welche die aktuelle Diskussion ins Rollen gebracht hat.

Beitrag «Das stille Sterben» im Beobachter vom 12. April 2018.

Artikel «Gefährdung von Vögeln: Die Schweiz ist Spitzenreiterin» in der NZZ vom 17. Mai 2018.

Zusammenstellung auf SRF zum Thema «Gute Nachrichten für Bienen – EU verbietet drei für Bienen schädliche Insektizide» vom 27. April 2018.

Studie «Der stumme Frühling – Zur Notwendigkeit eines umweltverträglichen Pflanzenschutzes» (2018) der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina (D).

BAFU Webseite: Nationale Beobachtung Oberflächengewässerqualität (NAWA).

Die Kompetenzen von AquaPlus in diesem Bereich finden Sie hier.

Reaktionen auf die Studie von Hallmann et al. in internationalen Medien hier und hier.

Wie die Binde in den Bach gelangt

Bei Untersuchungen an Fliessgewässern und Seen im Siedlungsgebiet werden teilweise unappetitliche Funde gemacht. Liegen etwa Hygieneprodukte im Bach, so sind unsere Gewässerschutzbestimmungen nicht erfüllt und es besteht Handlungsbedarf. Aber wie kommen solche Abfälle überhaupt in unsere Gewässer?

Leider wird die WC-Schüssel noch immer zu oft als Müllschlucker verwendet. So finden sich in den Rechen der Kläranlagen Kondome, Katzenstreu, Zigarettenstummel und Hygieneartikel wie Binden, Windeln, Feuchttüchlein. Solche Feststoffe aus der Siedlungsentwässerung müssen aufwendig entfernt und der Kehrichtverbrennung zugeführt werden.

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Der See ist eine Senke für Abfälle aus der Siedlungsentwässerung.

Die WC-Schüssel kann – etwa bei Starkniederschlagsereignissen – eine direkte Verbindung zum nächstgelegenen Bach sein.

Ob Abfälle auf dem Weg zwischen Verursacher und Kläranlage nun in ein Gewässer gelangen können, hängt von der Art der Abwasserentsorgung ab. Das Abwasser aus der Siedlung wird entweder in Misch- oder in Trennsystemen gesammelt. Bei Mischsystemen wird das häusliche Abwasser, gemischt mit oberflächlich anfallendem Regenwasser von Dächern, Plätzen und Strassen, der Kläranlage zugeführt. In Trennsystemen wird das häusliche Abwasser ebenfalls der Kläranlage zugeleitet. Das Regenwasser gelangt hingegen in einer separaten (vom Abwasser getrennten) Leitung ohne vorgängige Reinigung in das nächstgelegene Gewässer, was unter Einhaltung gewisser Bestimmungen sinnvoll und unproblematisch ist.

Die im WC herunter gespülten Abfälle können nur beim Mischsystem in unsere Gewässer gelangen. Da das Kanalisationsnetz nicht auf das Ableiten des gesamten anfallenden Abwassers dimensioniert werden kann, werden bei Mischsystemen Überlaufbauwerke (Hochwasserentlastungen, Regenbecken) eingebaut. Diese Verhindern bei Starkniederschlagsereignissen die Überlastung bzw. den Rückstau im Kanalisationsnetz. Wo Regenbecken vorhanden sind, können diese die anfallende Abwasserflut kurzfristig zwischenspeichern und nach Abklingen des Starkniederschlagsereignisses kontinuierlich an die Kläranlage abgeben. Sind jedoch keine solchen Anlagen vorhanden oder kann das Abwasservolumen dennoch nicht bewältigt werden, so gelangt das Abwasser über Entlastungsstollen direkt ins Gewässer. Und damit auch diverse Abfälle aus der Siedlungsentwässerung.

 

Gewässerökologische Untersuchungen geben Auskunft über den Zustand der Gewässer und zeigen allfälligen Handlungsbedarf auf.

Zur Vermeidung oder Reduktion schädlicher und lästiger Auswirkungen der Siedlungsentwässerung erarbeiten Gemeinden oder Abwasserverbände den Generellen Entwässerungsplan (GEP). Dieser dient als Instrument für den Vollzug des Gewässerschutzgesetzes bzw. der Gewässerschutzverordnung und ist regelmässig nachzuführen. Bei der konzeptuellen Planung von Regenwasserentlastungen gemäss Richtlinie STORM kommt eine immisionsorientierte Betrachtungsweise ins Spiel. Gewässerökologische Untersuchungen zum Zustand der Gewässers (Lebensgemeinschaft der Wasserwirbellosen, Wasserqualität, Äusserer Aspekt) dienen als Beurteilungsgrundlage und zeigen den Handlungsbedarf auf. Darauf aufbauend können gezielte Massnahmen ergriffen werden, etwa damit Kondome und Binden nicht mehr den Weg in den Bach finden.

 

Weitere Informationen zu unserer Tätigkeit im Bereich Siedlungsentwässerung finden sie hier.

Download: Richtlinie STORM (kostenpflichtig).

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