Die Bedeutung von Geschiebe und Schwebstoffen für die Lebewelt im und am Bach.
In einem Fliessgewässer bewegt sich nicht nur Wasser; auch die vermeintlich fixe Gewässersohle ist bei näherer Betrachtung mobil. Je nach Grösse des Abflusses werden kleinste Steinkörner und bis zu grosse Steinbrocken flussabwärts transportiert. Letztere bleiben manchmal «gefühlt» ewig an Ort und Stelle liegen, zumindest so lange, bis bei einem grossen Hochwasser die gesamte Gewässersohle mobilisiert wird. Insgesamt unterliegt das System Fliessgewässer sowohl hinsichtlich des Abflusses als auch der Gewässersohle einer ständigen Dynamik, welche gewässerabhängig stärker oder schwächer ausfällt. Hochwasser spielen dabei eine wichtige Rolle. Dieser Dynamik sind die Lebewesen des Fliessgewässers ausgesetzt, was einiges an Anpassung erfordert (hat). Fische können sich bis zu einem gewissen Mass aufgrund ihrer Schwimmleistung der Abschwemmung entziehen. Sie müssen sich jedoch, wie alle anderen Tiere und Pflanzen der Fliessgewässer, grundsätzlich an die im Vergleich zum Wasser stabile Gewässersohle halten. Dort stehen Lückensystem, Unterschlupfe und Oberfläche für die Besiedlung zur Verfügung. Doch aufgepasst: Erst noch sicheres Versteck kann sich die Gewässersohle bei Hochwasser in eine Todesfalle verwandeln. Vom Leben in diesem Spannungsfeld bzw. der Bedeutung von Geschiebe und anorganischen Schwebstoffen in Fliessgewässern für die verschiedenen Bewohner der Gewässer handelt dieser Beitrag.
Regelmässige Schlagzeilen wie «Bienensterben» oder «Auf der Wiese wird es still» zeichnen ein düsteres Bild für die Zukunft der Insekten. Dabei denkt man zuerst an Schmetterlinge, Bienen oder Grillen. Doch Insekten sind auch Wasserlebewesen. Sie kriechen, schwimmen und fressen dort, wo man kein Summen hört und keine haarigen Beine sieht. Wie geht es diesen aquatischen Organismen? Sind auch sie am Verschwinden?
Ein Sommertag am Weiher, Libellen patrouillieren dem Ufer entlang, Wasserläufer huschen über die Oberfläche und unten schwimmt flink ein Gelbrandkäfer. Sie alle verbringen, wie viele andere Insekten auch, mindestens einen Teil ihres Lebens im Wasser. Sie zählen zusammen mit Schnecken, Muscheln, Würmern oder Krebsen zu den sogenannten Wasserwirbellosen (Invertebraten) und spielen eine zentrale Rolle im Ökosystem Gewässer, bauen organische Substanz ab, fressen Algen oder Mückenlarven und stellen eine wichtige Nahrungsgrundlage für Fische und Vögel dar.
Viele Insekten sind Wasserlebewesen. Auch etwa die Larven der prachtvollen Libellen oder der grazilen Eintagesfliegen.
Eine Zweigestreifte Quelljungfer (Cordulegaster boltonii) bei der Eiablage in ein Gewässer. Diese Libellenart ist wie viele andere auf saubere Gewässer angewiesen.
Wie auch an Land sind die Lebensräume vieler aquatischer Arten stark unter Druck. Neben reinem Lebensraumverlust werden die Wasserorganismen durch verschiedene Formen der Gewässerverschmutzung beeinträchtigt. Über Abschwemmungen oder Abwässer gelangt ein richtiger Cocktail an Schadstoffen aus der Landwirtschaft und der Siedlungsentwässerung in die Bäche, Flüsse und Seen. In den Fokus geraten sind aktuell die Pestizide – 2000 Tonnen jährlich werden in der Schweiz ausgetragen. Aufgrund von fehlenden Pufferstreifen und übermässigem Einsatz gelangt ein Teil davon zwangsläufig auch in die Gewässer.
Der Fachbereich der Ökotoxikologie befasst sich mit der unmittelbaren oder chronischen Wirkung von Schadstoffen und Schadstoffgemischen auf Lebewesen. Meist wird dabei mit Testorganismen wie Bachflohkrebsen, Muschelkrebsen, Würmern, Algen oder Wasserpflanzen gearbeitet. Untersucht wird die Wirkung auf die Vitalität der Organismen, die Entwicklung der Biomasse, die Nahrungsaufnahme, die Fortpflanzung oder die Verbreitung von Arten. Mit regelmässigen Bestandeserhebungen können zudem langfristige Auswirkungen und Entwicklungen festgestellt werden. Solche Monitorings helfen, nicht nur die Wirkung einzelner Schadstoffe, sondern auch die summarischen Wechselwirkungen verschiedener Stoffgemische feststellen zu können. Anders als bei den meisten ökotoxikologischen Tests, welche die kurzfristige, akute Toxizität von Einzelstoffen anschauen, kann mit Untersuchungskampagnen eine langfristig wirkende, chronische Beeinträchtigung von Stoffen oder Stoffgemischen festgestellt werden, welche häufig bereits bei sehr tiefen, kaum messbaren Konzentrationsbereichen auftreten.
Ergebniss eines in-situ Monitorings zur ökotoxikologischen Wirkung von Schadstoffen auf Bachflohkrebse: Je vitaler die Tiere sind, desto mehr von den Blattscheiben fressen sie.
Biologische Datenbanken sind unerlässlich, will man Aussagen über die langfristige Entwicklung von aquatischen Lebensgemeinschaften machen.
Neben den gewässerökologischen Erhebungen nimmt bei Langzeitmonitorings auch die Speicherung und Auswertung der Daten eine zentrale Rolle ein. Der Aufbau der dazu notwendigen Datenbanken mag zwar aufwändig und die Pflege sowie die Qualitätssicherung zeitintensiv sein, die daraus resultierenden Möglichkeiten für Gesamtauswertungen oder die Nachverfolgung von Entwicklungen über die Zeit (Zeitreihen sind insbesondere bei chronischen Beeinträchtigungen, wie sie beispielsweise durch Pestizide entstehen, umso wertvoller. Implementierte Schnittstellen zu anderen Datenbanken von Behörden oder nationalen Datenzentren ermöglichen zudem einen reibungslosen Datentransfer ohne unnötigen Informationsverlust.
Neben fundierten Kenntnissen zur Artbestimmung und Ökologie der aquatischen Insekten sind auch biologische Datenbanken notwendig, um die Entwicklung der Lebensgemeinschaften zu analysieren.
Findet nun unter Wasser ein «Armageddon» statt, die «letzte Entscheidungsschlacht», wie dies für die Insekten der terrestrischen Lebensräume befürchtet wird? Um diese Frage zu beantworten wäre eine Erhebung an einer grossen Zahl von repräsentativen Untersuchungsstellen erforderlich und dies über längere Zeit (Monitoring). Doch auch heute schon könnten die bereits verfügbaren Daten in einer Flächenstudie zusammengetragen und systematisch ausgewertet werden. Unter anderem ginge es auch darum, den Verlust an «terrestrischen» Insektenarten in Verbindung zu bringen mit möglichen Implikationen durch «Verunreinigungen» im Gewässer, ist doch ein grösserer Anteil dieser Arten in der frühen Lebensphase an aquatische Lebensräume gebunden.
Links zum Thema:
Die Studie von Hallmann et al. (2017), welche die aktuelle Diskussion ins Rollen gebracht hat.
Beitrag «Das stille Sterben» im Beobachter vom 12. April 2018.
Artikel «Gefährdung von Vögeln: Die Schweiz ist Spitzenreiterin» in der NZZ vom 17. Mai 2018.
Zusammenstellung auf SRF zum Thema «Gute Nachrichten für Bienen – EU verbietet drei für Bienen schädliche Insektizide» vom 27. April 2018.
Studie «Der stumme Frühling – Zur Notwendigkeit eines umweltverträglichen Pflanzenschutzes» (2018) der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina (D).
BAFU Webseite: Nationale Beobachtung Oberflächengewässerqualität (NAWA).
Die Kompetenzen von AquaPlus in diesem Bereich finden Sie hier.
Reaktionen auf die Studie von Hallmann et al. in internationalen Medien hier und hier.